UV-Licht: Gesundheit aus dem Solarium

Von Jochen Kubitschek

Experten vermuten seit langem, dass die von Sonnenbänken abgegebenen UV-Strahlen das Hautkrebsrisiko erhöhen. Doch die Beweislage ist dürftig. Zumindest in den sonnenarmen Ländern Nordeuropas werden die Risiken womöglich durch einige deutliche Gesundheitsvorteile aufgewogen.

„Räumen wir gleich vorweg mit einigen weit verbreiteten Irrtümern auf: Gesundheitliche Vorteile sind von Heimsonnen nicht zu erwarten“, hieß es jüngst in einem Artikel der Zeitschrift „Test“. Diese Bewertung künstlicher Strahlenquellen, die ultraviolettes Licht vom Typ A und B produzieren, ist zwar derzeit mehrheitsfähig – aber unter Forschern umstritten. Die Anwender sind verunsichert.

Die Ergebnisse epidemiologischer Studien der vergangenen Jahre sind in der Tat nicht eindeutig. Während einige in Europa durchgeführte Untersuchungen den Verdacht einer ursächlichen Verbindung zwischen UV-Licht und Hautkrebs nahe legen, haben zwei US-Studien diesen Zusammenhang nicht nachweisen können.

Epidemiologische Studien fallen widersprüchlich aus

Erst kürzlich räumte Antony Young vom St. John’s Institute of Dermatology am Londoner King’s College im Fachblatt „Pigment Cell Research“ ein, dass nicht alle epidemiologischen Studien eine deutliche Verbindung zwischen der Anwendung künstlich erzeugter UV-Strahlen und einem erhöhten Risiko für Hautkrebs festgestellt haben. Andererseits gibt es kaum Zweifel daran, dass häufige Sonnenbäder bei Kindern und Jugendlichen das Hautkrebsrisiko im späteren Leben steigern. Dies könnte auch bei der häufigen Anwendung künstlicher UV-Strahlen der Fall sein, da die sich prinzipiell nicht vom UV-Anteil echter Sonnenstrahlen unterscheiden.

Die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) wies im „FDA Consumer Magazine“ darauf hin, dass Sonnenbräune generell eher auf einen Hautschaden hinweist. Viele Verbraucher, so die FDA, ahnten nicht, dass Geräte wie Bestrahlungslampen und Sonnenliegen die gleichen Schäden verursachen können wie direkte Sonnenstrahlen. Einige Geräte geben sogar stärkere UV-Strahlen ab als die Sonne.

Hautkrebsrisiko überraschend gering

William B. Grant vom Sunlight, Nutrition and Health Research Center in San Francisco wies auf der Website der US-Umweltschutzbehörde EPA darauf hin, dass einer bisher noch nicht wirklich überzeugend bewiesenen Zunahme des Hautkrebsrisikos um etwa 50 Prozent zahlreiche wissenschaftlich gut belegte Nutzeffekte der künstlichen UV-Strahlen gegenüberstehen. Daher sei die Vermeidung der künstlichen Strahlungsquellen aus medizinischer Sicht kaum sinnvoll, meint Grant, der allerdings kein Arzt, sondern ein Physiker ist, der früher für die Nasa arbeitete.

„Selbst wenn eindeutig bewiesen wäre, dass die in den Bräunungsstudios erzeugten UV-Strahlen tatsächlich Hautkrebs erzeugen, würde dies – sogar wenn jeder Amerikaner Sonnenstudios aufsuchen würde – bei einer Bevölkerung von 284 Millionen pro Jahr lediglich 3800 zusätzliche Todesfälle verursachen“, so Grant.

Dem steht aber möglicherweise ein erheblicher Nutzen gegenüber, da zum Beispiel das von UV-Strahlen erzeugte Vitamin D bei der Verhütung der Multiplen Sklerose eine wichtige Rolle spielt. Durch mehr UV-Licht könnten etwa pro Jahr rund 200.000 MS-Fälle verhindert werden, schrieb Grant im Fachblatt „Photochemical and Photobiological Sciences“. Zudem gibt es ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass allein in den USA pro Jahr etwa 23.000 Krebstodesfälle durch vermehrte UV-Bestrahlung und damit höhere Vitamin-D-Konzentrationen im Blut verhindert werden könnten („Cancer“, Bd. 94, S. 1867).

Auch die sehr unangenehmen Hauterscheinungen der Schuppenflechte (Psoriasis) können nach Studienergebnissen durch die regelmäßige Anwendung von UV-B-Strahlen, beziehungsweise der sich daraus ergebenden erhöhten Vitamin D-Produktion, um 30 bis 50 Prozent gebessert werden können.

Strahlen schützen vor Krebserkrankungen

Mittlerweile hat sich daneben gezeigt, dass schon das Leben in der Stadt – aufgrund des damit verbundenen Mangels an Sonnenlicht, respektive niedriger Vitamin D-Konzentrationen – offenbar ein von anderen Risiken unabhängiger Risikofaktor für verschiedene Krebsarten ist.

Weltweit erkranken pro Jahr beispielsweise 286.000 Menschen an einem non-Hodgkin’s Lymphom (NHL), 161.00 sterben an dem Leiden. Beim NHL handelt es sich um die Krebserkrankung, die nach dem Lungen- und dem Hautkrebs weltweit zahlenmäßig am drittstärksten zunimmt. Bisher gingen die Krebsspezialisten davon aus, dass UV-Strahlen das NHL-Risiko erhöhen. Unlängst stellte aber eine von einer Arbeitsgruppe um Anne Kricker an der School of Public Health durchgeführte und im renommierten „International Journal of Cancer“ (Dezember 2004) publizierte Studie diese Theorie völlig auf den Kopf. Die Untersuchung legt nämlich den Verdacht nahe, dass UV-Licht, respektive Vitamin D, wahrscheinlich vor einigen Krebserkrankungen schützt – darunter auch vor NHL. Andere wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass Vitamin D auch die Risiken für Schizophrenie, Zuckerkrankheit und bestimmte Herzleiden senkt.

Nun bekamen die Freunde der künstlichen UV-Strahlen auch noch aus einer ganz anderen Richtung Schützenhilfe: Eine im „American Journal of Clinical Nutrition“ (Dezember 2004) veröffentlichte Studie der Boston University School of Medicine hat gezeigt, dass die regelmäßige Benutzung von Sonnenbänken möglicherweise auch das Risiko von Knochenbrüchen vermindert. Die Forscher um Vin Tangpricha untersuchten 50 Versuchspersonen, die mindestens einmal in der Woche eine Sonnenbank nutzten und analysierten neben der durch UV-Licht stimulierten Blutkonzentration von Vitamin D am Becken und der Wirbelsäule auch die Knochendichte. Die Messergebnisse der Mineraldichte wurden mit den Werten von 106 Personen verglichen, die im Gegensatz zu den Sonnenanbetern künstliche UV-Strahlen mieden.

UV-Licht erhöht die Knochendichte

Dabei zeigte sich, dass die braungebrannten Nutzer der Sonnenbänke im Vergleich zu den eher blassen Kontrollpersonen durchschnittlich um 90 Prozent höhere Vitamin D-Blutspiegel hatten. Außerdem war die Konzentration des den Knochenstoffwechsel beeinflussenden Parathormons um 18 Prozent niedriger. Diese Stoffwechselveränderungen schlugen sich in einer deutlich erhöhten Knochendichte nieder – ein Aspekt, der für Millionen Osteoporosekranke von Bedeutung sein könnte, die häufig Knochenbrüche erleiden.

Quelle:Spiegel Online